Rundbrief September 2013

Vom deutschen Alltag ins afrikanische Abenteuer

Wie alles begann

Das Lesen der Zeitschrift “family” ist gar nicht so harmlos, wie man meinen sollte. Im Jahr 2000 fanden wir darin eine Kleinanzeige: “Gesucht: Junge, christl. Familie, die Lust hat, mit einer ebensolchen in Uganda zu korrespondieren….”
Da wir uns gerne mit Menschen aus anderen Kulturkreisen austauschen, begannen wir also mit Stephen und Elizabeth und deren Kindern den Briefkontakt.
Sieben Jahre später machte ich mich dann, zusammen mit unserer ältesten Tochter, das erste Mal auf die Reise nach Ostafrika. Aus diesem Besuch bei unseren Freunden entstand der gemeinsame Wunsch, eine Entwicklungsarbeit in dem Heimatdorf von Stephen ganz im Osten des Landes zu beginnen.

Mein Mann Orge suchte im Internet nach schon bestehenden Projekten in Uganda und stieß auf die Arbeit von “anamed”.
Diese von dem deutschen Apotheker Dr. Hans-Martin Hirt gegründete Organisation setzt sich in Afrika und weltweit für die Anwendung von gut wirksamen und für jeden zugänglichen Heilpflanzen ein. Oft haben die Menschen diese Pflanzen direkt vor der Tür, kennen aber deren Nutzen nicht, unter anderem deshalb, weil diese Art der Medizin oft mit Zauberei gleichgesetzt wurde.

AMUKA-Mitarbeiter Michael baut Artemisia an, eine Pflanze, die schon vielen geholfen hat

Da die Kosten für Produkte der Pharmaindustrie für eine arme Bevölkerung oft zu hoch und in Afrika Tabletten häufig Fälschungen aus Asien sind, ist die westliche Medizin nur begrenzt anwendbar. In weltweiten anamed-Seminaren lernen die Teilnehmer, wie hilfreich Amaranth gegen Mangelernährung ist, wie Papayas gegen Würmer und zur Wundbehandlung helfen und wie Moringa gegen Eiweißmangel und Aloe bei Hautverbrennungen eingesetzt werden.
Besonders wertvoll ist die Pflanze Artemisia zur Vorbeugung und Behandlung von Malaria und zur Stärkung des Immunsystems bei AIDS-Patienten. Orge und ich besuchten Seminare in Deutschland und unsere ugandischen Freunde schickten wir zu Schulungen in ihrer Nähe. Stephen stellte ein Grundstück zur Verfügung, auf dem 2010 ein Heilpflanzengarten angelegt wurde. Im gleichen Jahr begannen wir, Patenschaften für Kinder zu übernehmen. Insbesondere für AIDS-Waisen und behinderte Kinder, die sonst keine Chance auf Schulbildung hätten.
Zudem treffen sich etwa 25 Frauen aus dem Dorf wöchentlich zu Bibelstudium und Gesundheitserziehung.

Der Name der ugandischen Organisation und auch des deutschen Vereins lautet “AMUKA”. Das ist Kisuaheli und bedeutet “Wach auf”, denn unsere Hoffnung ist, dass Menschen Eigeninitiative ergreifen und aus ihrer Hoffnungslosigkeit und Armut herauskommen. Wir wünschen uns auch, dass sie eine geistliche Erweckung erleben und zerbrochene Beziehungen wiederhergestellt werden.

Nachdem Orge und ich, sowie unsere dritte Tochter Tabea einige Male in Uganda waren, planten wir als Familie zusammen mit den drei jüngsten Kindern für fünf Wochen dorthin zu fliegen. Mitten in diese Planungen kam ein Hauptgewinn anlässlich der Eröffnung eine dm-Filiale in unserer Stadt: Ein Reisegutschein im Wert von 1500 Euro.
Wir sahen das als Bestätigung Gottes für unser Vorhaben. Und so sind wir im Juni 2013 mit Tabea (16), Jonathan (14) und Shenay (5) in Entebbe gelandet.

Frust und Freude im Projektalltag

Tabea, Shenay, Orge, Antje, Jonathan und Tabeas Freundin Dinah, die bei uns wohnte und uns ganz viel geholfen hat

Bei unseren bisherigen Besuchen haben wir immer bei Freunden im Dorf mit gewohnt und so viel Einblick in Alltagsleben und Kultur bekommen.
Da wir diesmal zu fünft waren, ging das bei den engen Wohnverhältnissen der meisten Menschen nicht mehr; viele haben überhaupt nur ein oder zwei Betten im Haus. Also haben wir uns entschieden, einen Raum im AMUKA-Versammlungshaus zu beziehen und die Küche neben an zu benutzen. Ein “Badezimmer”- ein Verschlag mit Wellblechwänden – wurde von unserem Mitarbeiter Michael gebaut. Der Vorteil des Wohnens direkt beim Projekt war, dass wir mit den Kindern immer zusammen vor Ort waren, so war insbesondere Shenay gut beaufsichtigt.

Jonathan erklärt Iname den Laptop

Wir haben auf diese Weise auch viel vom AMUKA-Alltag mitbekommen.
Leider war nicht alles so toll, wie wir es uns mit unserem westlichen Denken vorgestellt hatten. Schon allein die Arbeitszeiten wurden von den allen Mitarbeitern sehr flexibel gestaltet. Bei Erkrankung eines Angehörigen oder im Fall einer, der hier sehr häufigen Beerdigungen, kommen sie gar nicht zur Arbeit.

Wir erlebten auch, dass Philip und Michael, die sich hauptsächlich um den täglichen Ablauf und die Arbeit im Garten kümmern, kaum in der Lage sind, Termine und Absprachen einzuhalten. Dinge, die für uns eher einfach erscheinen, wie die Einführung einer Drei-Eimer-Mülltrennung, ist für sie kaum zu bewältigen.
Orge und ich waren oft frustriert, wenn Dinge, die uns versprochen wurden, nicht in die Tat umgesetzt wurden. Für Orge, der zielorientiert ist, war es noch schwieriger als für mich, die eher beziehungsorientiert ist. Auch für Jonathan, der vom Typ her eher perfektionistisch ist, war diese Planlosigkeit anstrengend.
Trotzdem hat er sich bemüht, gegen alle Sprachbarrieren anzugehen und sich mit dem Laden von Handys an der Solaranlage und mit Computerunterricht nützlich zu machen.
Als „gut strukturierte Deutsche“ taten wir uns mit der anscheinenden Planlosigkeit schwer. Für die morgendliche Andacht, gab es weder eine festgelegte Uhrzeit, noch einen Plan, wer jeweils zuständig ist.

Tabea und Iname versorgen die AMUKA-Kinder mit großen Mengen Hirsebrei

Gegen all den Frust half es uns dann aber immer wieder auf das Positive zu sehen. Auf einzelne Menschen, die durch die Arbeit von AMUKA Hilfe erfahren und neue Hoffnung bekommen haben.
Robina ist eine an AIDS erkrankte Witwe mit vier Kindern, von denen zwei behindert sind. Ihre gehbehinderte Tochter Prossy hat eine Patenschaft für Schulgeld und wird in einer orthopädischen Klinik behandelt, und Robina selbst bekommt Artemisia für ihr Immunsystem. Jetzt hilft sie sogar ehrenamtlich bei AMUKA mit.
Der gehörlose Dan, dessen Mutter weggelaufen und dessen Vater psychisch krank ist, hatte die ersten sieben Jahre seines Lebens keine Möglichkeit richtig zu kommunizieren. Jetzt geht er seit drei Jahren zur Schule, erlernt die Gebärdensprache und hat Freunde mit denen er sich unterhalten kann.

Iname kümmert sich um die malariakranke Nancy

Alfred und Gertrud, ein älteres Ehepaar aus der Nachbarschaft, erzieht fünf Enkelkinder, die Waisen sind. Auf Anregung von AMUKA hat Alfred angefangen, Amaranth anzubauen und verbesserte so die Ernährung seiner Enkel. Die Eier der Hühner, die die Kinder von Philip bekamen, hat Alfred so lange verkauft, bis er davon zwei Ziegen kaufen konnte, die jetzt wieder Junge bekommen.
Aus Dankbarkeit darüber hat er in diesem Jahr dem Projekt ein großes Stück Land für Heilpflanzen zur Verfügung gestellt.
Das sind dann wieder Dinge, die uns Mut machen, nicht aufzugeben.

Besonders freue ich mich immer, wenn ich sehe, wie fröhlich die Jungen und Mädchen unserer Kindergruppe sind, die Iname jeden Samstag, Sonntag und in den Ferien täglich trifft. Diese Kinder haben neue Hoffnung bekommen, da sie erleben, dass jemand sich wirklich um sie kümmert und sich für sie einsetzt, z.B. wenn sie krank sind. Einige Kinder kommen sogar dann zur Gruppe, wenn sie an Malaria erkrankt sind, weil sich zu Hause kaum jemand um sie kümmert. Iname dagegen kocht Tee und kümmert sich liebevoll um sie.

Iname und Antje waren mit drei behinderten Kindern in einer orthopädischen Klinik, Sharon bekam 7 Jahre nach ihrem Schlaganfall das erste mal Hilfe

Besonders diejenigen Kinder, die mit Hilfe einer Patenschaft eine Privatschule im Dorf besuchen, machen gute Fortschritte. Dabei kann ein Pate mit 30€ im Monat vier Kindern das Schulgeld bezahlen. Leider habennoch nicht alle Kinder der Gruppe Paten und das führt unter den Kindern teilweise zu Spannungen.

Armut und Not

Ugandische Kinder sind für für mich immer wieder erstaunlich. Auf der fünfstündigen Busfahrt von Mbale nach Kampala erlebe ich stets das Gleiche: Ein Kind sitzt die ganze Fahrt über auf dem Schoß der Mutter, es redet nicht, es quengelt nicht, es zappelt nicht. Shenay dagegen tut das alles schon reichlich bevor wir überhaupt losfahren und verlangt dann stundenlange Animation. Zu Besuch in einer Familie unterhalten die Erwachsenen sich, während die Kinder still daneben sitzen.

Shenay und Emmanuel; Emmas Eltern starben an AIDS. Er selbst ist HIV+. Dank einer Patenschaft geht er zur Schule und wird medizinisch versorgt

Wir haben es zwar in der Öffentlichkeit nie gesehen, wie Kinder geschlagen werden, aber alle, die wir danach fragen, sogar Jugendliche, versichern uns, dass Erziehung nur unter Einsatz körperlicher Züchtigung möglich ist. Und diese kann dann sogar so weit gehen, dass den Kindern Verbrennungen zugefügt werden.
Für Erwachsene ganz wichtig ist, dass Kinder gehorchen. Und das setzt sich auch im Erwachsenenalter fort. Nicht selten hörte ich einen Mann sagen: Ich bin glücklich mit meiner Frau, sie ist gehorsam und kocht immer für mich, wenn ich hungrig bin.
Leider ist häusliche Gewalt sehr verbreitet; inzwischen habe ich sogar den Eindruck, sie ist eher die Regel als die Ausnahme. In den Familien unserer gesponserten Kinder führen bei unseren Aufenthalten jeweils Visitation durch. Dabei erzählte mir die Mutter von Carol, wie ihr Mann ihr Lampenöl injiziert hat, woran sie fast gestorben wäre. Sie leidet sehr unter der ständigen Gewalt durch den Ehemann und sein fortwährendes Fremdgehen und ist auch schon einige Male weggelaufen. Um der Kinder willen kommt sie aber immer wieder, denn diese gehören dem Vater.
Die häufigen Ehescheidungen sind ein ganz großes Problem, da der Vater sich in aller Regel bald eine neue Frau nimmt, die dann die Stiefkinder erzieht. Und diese Stiefmütter sind anscheinend wirklich so, wie in unseren Märchen. Jedenfalls hören wir fast nur, dass sie Kinder aus vorherigen Beziehungen vernachlässigen und nur die leiblichen gut behandeln. Der Nachbar von gegenüber lebt inzwischen in seiner sechsten “Ehe” und die jetzige Frau muss alle bisherigen Kinder versorgen.
Hier sind Christen ein großes Vorbild, wenn sie Gottes Maßstäbe für Ehe und Familie umsetzen. In diesen Familien ist es schön zu erleben, wie gemeinsam in der Bibel gelesen und gebetet wird und die Männer ihre Frauen achten, indem sie auch mal beim Kochen oder Waschen mit anpacken.
Die oben beschriebene antrainierte Passivität der Kinder führt im Erwachsenenalter dazu, dass die Menschen ihrer Armut hilflos gegenüber stehen.

Die materielle Armut ist abgrundtief. Viele Menschen tragen nur Lumpen am Körper, haben kaum Geld für medizinische Versorgung und oft nicht genug zu essen. Aber selbst etwas zu verändern und Neues auszuprobieren fällt ihnen sehr schwer. Anstatt das in AMUKA-Seminaren Gelernte umzusetzen, wie etwa eine neue, biologische Technologie zur Bodenverbesserung und Schädlingsbekämpfung, halten die meisten lieber die Hand auf, wenn die Weißen kommen.

Noah und Shenay hatten sehr viel Spaß zusammen!

Angesichts all dieser Folgen einer Erziehung zum völligen Gehorsam, freue ich mich an unseren Kindern, die zappeln und quengeln und sich nicht mit einer heißen, langweiligen Busfahrt zufrieden geben. Sie werden sich hoffentlich später auch nicht mit ungünstigen Lebensumständen abfinden wollen.
Der 23jährige Noah, der viel mit Shenay spielte, fand sie wunderbar beeindruckend und viel angenehmer als die gehorsamen ugandischen Kinder (und ich hatte befürchtet, er halte sie für total nervig und schlecht erzogen). Er jedenfalls wolle lieber aktive Kinder haben. Jugendliche wie Noah, die über ihre eigene Kultur reflektieren können, die westliche nicht einfach kritiklos übernehmen wollen, sondern von ganzem Herzen nach Gottes Willen leben möchten, sind vielleicht die Ausnahme, aber mit Sicherheit unerlässlich für eine Zukunft heraus aus Hilflosigkeit und Armut.

Besondere Menschen

Es gibt so vieles, was uns von den Menschen in Uganda unterscheidet an Erziehung und Bildung, an Lebenseinstellung, Besitz und Möglichkeiten. Und oft ist es einfach die Sprache, die ein Miteinander erschwert. In Uganda werden über 40 verschiedene Sprachen und Dialekte gesprochen, und nicht jeder beherrscht die Amtssprache Englisch. Und ugandisches Englisch und deutsches Schulenglisch sind noch lange nicht dasselbe. Da das Schulsystem im ganzen Land sehr mangelhaft ist, mit bis zu 200 Kindern pro Klasse und so gut wie keinem Unterrichtsmaterial, verlassen viele die siebenjährige Grundschule, ohne lesen und schreiben zu können.
Bei all diesen Unterschieden der Herkunft, beeindruckt es uns immer aufs Neue afrikanische Christen kennenzulernen. Der Glaube ist etwas, das uns über alle sprachlichen und kulturellen Barrieren hinweg verbindet. Über die Jahre haben wir viele Menschen kennengelernt, die Ihr Leben ganz bewusst und konsequent als Christen gestalten, was dann auch Auswirkungen auf ihr Umfeld hat. Uns haben sie mit ihrem kompromisslosen Glauben und ganz tiefem Gottvertrauen immer wieder herausgefordert.
Ein besonderes Vorbild ist meine Freundin Iname. Sie hatte als Scheidungskind eine entbehrungsreiche Kindheit. Nach der Grundschule hat sie selbst die Ausbildung zur Grundschullehrerin absolviert, da sie ihren Traumberuf Krankenschwester nicht erlernen konnte. Iname hat dann geheiratet und vier Kinder bekommen. Als ihr Mann anfing, Beziehungen zu anderen Frauen zu haben und Iname loswerden wollte, bekam sie kein Essen mehr. So war sie gezwungen, ihre älteren Kinder Noah und Dinah beim Vater zurückzulassen. Dieser unterband jeden Kontakt zur Mutter und erzählte den beiden Lügen über sie. Jahrelang sah sie ihre Kinder nur sehr selten und immer heimlich.
Iname hat es mühsam geschafft, sich mit den beiden jüngeren Töchtern eine neue Existenz aufzubauen. Obwohl es in ihrem Umfeld eigentlich unmöglich ist, als Frau ohne Mann zu leben, hat sie alle Annäherungsversuche ausgeschlagen.
Sie hat in dieser Zeit viel Not und Leid erfahren. Zum einen wegen der gesellschaftlichen Isolation, zum andern weil Lehrer (insbesondere alleinstehende Frauen ohne Fürsprecher) ihr Gehalt selten vollständig ausgezahlt bekommen. Oft war sie verzweifelt, weil sie ihre Kinder nicht gut versorgen konnte.
Aber trotz allem ist Iname nicht in Verbitterung versunken. Sie selbst hat so viel Liebe weiterzugeben an die, die in noch schwierigen Situationen sind.
Dem Nachbarmädchen, das von seiner Mutter keinerlei Zuwendung bekommt, entfernt sie Parasiten aus den Füßen, die ihr das Laufen schwer machten.
Den aidskranken Waisen Joseph hat sie mit Artemisia, Moringa und Amaranth soweit wieder hergestellt, dass er die Schule besuchen kann. So ist sie schließlich doch noch eine Krankenschwester für viele geworden.

Menschen wie Iname, die selbst so bedürftig sind und trotzdem im Vertrauen auf Gott leben und anderen Menschen so viel Gutes tun, sind für mich echte Helden!
Noah und Dinah haben die Lügen des Vaters erkannt und sind vor einigen Jahren zu ihrer Mutter zurückgekehrt. All ihre Kinder lieben Jesus und unterstützen die Arbeit im Projekt.
Ein sehr besonderer Mensch ist für Orge und mich auch unser britischer Freund Robby. Vor über zehn Jahren gab er sein Leben als Geschäftsmann auf und kam nach Uganda, wo er sich als Leiter von JENGA in Mbale für die Ärmsten in Slums einsetzt. Robby ist im Aufsichtsrat von AMUKA und er ist es, der uns oft durch weise Worte und kraftvolle Gebete ermutigt, wenn wir zweifeln. In Uganda haben wir auch neu erfahren, wie wichtig gute Freunde sind, wenn man mit einem Kind schnell einen Fahrer zum Krankenhaus benötigt oder nachts in der Stadt strandet und nicht weiß, wo man schlafen soll. Gut, wenn man dann einen Robby kennt, der spontan hilft!

Vincent, Grace, Robby (v.l.), sie bewegen viel und schenken neue Hoffnung für Hoffnungslose!

Oder auch Leute wie Grace und Vincent. Die beiden kommen selbst aus sehr armen Verhältnissen. Grace musste sich als Waisenkind ihr Schulgeld selbst verdienen. Aber die beiden haben es geschafft, sich mit mit viel Einsatz, Kreativität und Flexibilität hochzuarbeiten und sind jetzt recht wohlhabend.
Was für sie aber auch bedeutet, dass sie von ihren großen Clans immerzu um Hilfe bei Arztrechnungen, Schulgeld und für Nahrung gebeten werden. Das ist nicht immer einfach, aber sie geben gerne was sie können. Neben ihren fünf Kindern kümmern sie sich auch um verschiedene Jugendliche, die eine zeitlang Begleitung benötigen, wie etwa konvertierte Moslems.
Als ich mit Tabea in der Stadt bleiben musste, weil sie zu krank zum Reisen war, meinte Vincent, es wäre kein Problem bei ihnen zu bleiben und überraschte mich mit dem spanischen Satz: Mi casa es tu casa {Mein Haus ist dein Haus}.

Die ugandische Kultur ist sehr beziehungsorientiert, die Beziehung zu Verwandten und Freunden geht dem Erreichen von Zielen vor. Das ist im Notfall sehr hilfreich, denn alle sind gleich zur Stelle. Dann gibt es noch die vielen Heldinnen, die kaum einer sieht.

Daphin (mit Baby), die Zweitfrau ihres Mannes und einigen ihrer Kinder; Benjamin (links) ist sehr stark kurzsichtig, er bekam von AMUKA eine Brille

Daphin, die mit der Zweitfrau ihres Mannes das Haus teilen muss. Der Mann selbst vertrinkt den ganzen Tag das wenige Geld der Familie. Wenn er zu Hause ist, schlägt er Daphin und eigentlich will er sie auch gar nicht mehr da haben.
Aber um ihrer Kinder Willen bleibt sie. Zwei Kinder sind aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung gestorben.
Nach der Geburt des siebten Kindes im April war Daphin sehr schwach. Dank des Amaranth-Hirse-Breis von Iname geht es ihr wieder einigermaßen gut. Sie kommt zum Projekt um die Frauengruppe zu besuchen und die Nähmaschinen zu benutzen.

Auch Alice, die Schwester unseres Mitarbeiters Philip, ist für mich ein bewegendes Zeugnis für Gottes Kraft. Als Alice vor über 60 Jahren als Zwitter geboren wurde, war sie eine Geächtete, sie konnte nicht zur Schule gehen und hatte eigentlich kaum Chancen. Sie selbst sah sich gar nicht als richtigen Menschen an.
Doch als sie Jesus kennen lernte, erkannte sie, wie wertvoll sie ist. Über viele Jahre hat sie Philip und seine Frau mit der Erziehung der Kinder unterstützt und durch ihre anpackende Art und landwirtschaftliches Geschick die Familie vorangebracht. Sie spricht leider kein Englisch, aber ihre herzliche Ausstrahlung begeistert mich.

13 Jahre nach der Anzeige…

Wo hat diese kleine Anzeige aus dem Jahr 2000 uns hingebracht? Unser Leben ist auf jeden Fall bereichert worden. Angesichts der Begegnungen mit Menschen in Afrika und der damit verbundenen Frage, was wirklich wichtig ist im Leben, haben sich unsere Prioritäten verändert. Und unser Glaube ist durch das Zeugnis von diesen Freunden vertieft worden. Wenn man in Krankheitsfall keinen Arzt zur Verfügung hat und völlig auf Heilung durch Gott angewiesen ist, ist Er viel realer als in einem Land mit Krankenversicherung.

Fast wie im Schwedenurlaub: Stockbrot vom Kohlenfeuer; v.l. Iname,Tabea, Orge, Dinah, Jonathan, Shenay, Emmanuel

Aber auch unsere Arbeit als Ehepaar ist sehr viel mehr geworden. Orge erledigt die Kontoführung für AMUKA und kümmert sich um alles Technische, wie das Aufarbeiten von ausgedienten Laptops für unsere Studenten. Ich bin als Vereinsvorsitzende für alles andere zuständig, wie Kommunikation mit Spendern, Vereinbaren von Terminen in Krankenhäusern für unsere behinderten Kinder, Bibelarbeiten, Verkauf von Produkten der Frauengruppe und Besuche bei Patenkindern.
Besonders herausfordernd ist, die geistliche Ausrichtung der Arbeit im Blick zu haben. Auch auf unsere Kinder hat diese Arbeit natürlich Auswirkungen. Einige grenzen sich eher ab oder finden es ganz ok, Tabea dagegen spart schon wieder auf ihre nächste Reise und kann sich gut vorstellen, später einmal in Uganda mit (behinderten) Kindern zu arbeiten.
Oft ist es uns selbst zu viel, wir fühlen uns überfordert, da das alles auch nicht unserer Ausbildung entspricht. Aber dann werden wir wieder daran erinnert, dass „Gott dienen bedeutet, dass wir uns um die Sorgen der Waisen und Witwen kümmern“ (Jakobus 1:27). Oft wünsche ich mir jemanden in der Nähe, der Orge und mich bei Fragen und Entscheidungen als Mentor begleitet. Und für AMUKA Uganda wäre es wunderbar jemanden zu haben, der die ugandische Kultur kennt und mit unserem Team liebevoll und beharrlich eine Jesus-Kultur einübt, damit sie vielen Menschen in ihrem Umfeld neue Hoffnung und ein besseres Leben anbieten können.

Antje Balack, September 2013